Versicherer verweigert Leistung – angeblich manipulierter Unfall

LG Lübeck – Az. 3 O 193/22 – das Langericht Lübeck hatte in diesem Fall über Ansprüche aus einem Verkehrsunfall zu entscheiden und im Zuge dessen auch über die Leistungspflicht des ebenfalls beklagten Haftpflichtversicherers – ein klassisches Problem im Versicherungsrecht.

Kläger ist Halter und Eigentümer eines Audi A5, Beklagter zu 1) ist ebenfalls Halter und Eigentümer eines Fahrzeugs. Der Beklagte beabsichtige am Unfalltag, seine Lebensgefährtin von einer Party, die beim Kläger stattfand, abzuholen. Vor Ort angekommen parkte er zunächst das Fahrzeug vor dem Audi A5 des Klägers und suchte das Haus des Klägers auf. Anschließend kehrte er zu seinem Fahrzeug zurück, wollte es ausparken und vor der Tür seine Partnerin einsteigen lassen.

Bei dem Ausparkmanöver kollidierte das Fahrzeug des Beklagten mit dem Audi A5 des Klägers. Dies führte unstreitig zu Schäden am klägerischen Fahrzeug. Streitig ist jedoch das Ausmaß der Schäden und ob das klägerische Fahrzeug nicht schon durch einen Wildunfall beschädigt gewesen ist.

Der Kläger machte unter anderem Schadenspositionen in Form von Abschleppkosten, An- und Abmeldung der KFZ-Schilder und Nutzungsausfallschäden für über 120 Tage à 43,00 € geltend – größtenteils mit Erfolg.

Der Kläger argumentierte wie folgt:

Der Beklagte sei mit überhöhter Geschwindigkeit rückwärts gefahren.

Der Haftpflichtversicherer (Zweitbeklagter) des Beklagten hielt dagegen und trug vor, er sei langsam rückwärts mit einer Geschwindigkeit von 5-10 km/h gefahren. Noch interessanter aber ist die Einlassung der Beklagten, es handele sich bei dem Fahrzeug des Klägers bereits um ein beschädigtes Fahrzeug und der Kläger versuche, einen höheren als eigentlich vom Beklagten verursachten Schaden zu fingieren. Der beklagte Haftpflichtversicherer unterstellt somit Kläger und Beklagtem die Manipulation eines Verkehrsunfalles.

Das Gericht gab der Klage dennoch in großem Umfang teilweise statt – aus folgenden Gründen:

Nach den Ausführungen eines eingeschalteten Sachverständigen sei der Beklagte nicht mit einer Geschwindigkeit von 5-10 km/h, sondern ca. 12 km/h gefahren. Dies ergebe sich aus der Art der Schäden am Fahrzeug.

Wichtiger aber noch und die Argumentation der beklagten Versicherung betreffend:

Es gebe keine Hinweise, die für die Manipulation eines Verkehrsunfalles von Klägerseite sprechen. Zum einen habe ein Sachverständiger festgestellt, dass das Fahrzeug, entgegen der Behauptung der Beklagten, keine Schäden vor der Kollision aufwies. Zum anderen habe auch kein verdächtiger Kontakt zwischen dem Unfallverursacher und dem Kläger bestanden, der hätte vermuten lassen, dass der Unfall fingiert werden sollte. Auch habe sich nicht der Vorwurf der beklagten Versicherung bestätigt, der Unfallverursacher habe das akustische Signal seines Fahrzeugs beim Rückwärtsfahren bewusst ignoriert. Der Beklagte konnte glaubhaft darlegen und erklären, er habe das Signal nicht wahrgenommen.

Der beklagte Haftpflichtversicherer des ebenfalls beklagten Unfallverursachers konnte folglich nicht ausreichend darlegen und beweisen, Beklagter und Kläger hätten sich zur Manipulation des Unfalles abgesprochen. Der Versicherer des beklagten wäre in der Pflicht gewesen, eine Manipulation nachzuweisen. Das ist ihm nach Ansicht des Gerichts nicht gelungen.

Diese Konstellation ist recht interessant. Der beklagte Unfallverursacher und die beklagte Haftpflichtversicherung des Verursachers stehen beide auf Beklagtenseite. Dennoch richtet sich der Vorwurf der Unfallmanipulation nicht nur gegen den Kläger, sondern auch gegen den Beklagten und Versicherten des Haftpflichtversicherers. In diesem Urteil hatte das Gericht lediglich über die Leistungspflicht des Haftpflichtversicherers zu entscheiden. Anzumerken ist jedoch: wäre dem Versicherer der Nachweis der Unfallmanipulation gelungen, hätten sich beide Parteien, sowohl Kläger als auch Beklagter des Betruges strafbar gemacht. Eine solche Absprache zur Geltendmachung von Leistungen durch den Versicherer sollte niemals getroffen werden.

 

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