Sichtbarkeitsgrundsatz im ruhenden Verkehr – was ist das und worauf müssen Verkehrsteilnehmer achten?

 

BVerwG – Az. 3 C 10.15 – das Bundesverwaltungsgericht präzisierte in dieser Entscheidung, welche Anforderungen der sog. Sichtbarkeitsgrundsatz im ruhenden Verkehr an die Erkennbarkeit und Erfassbarkeit von Verkehrszeichen und an die dabei von den Verkehrsteilnehmern zu beachtende Sorgfalt stellt.

Was besagt der Sichtbarkeitsgrundsatz?

Der sog. Sichtbarkeitsgrundsatz verlangt, dass Verkehrszeichen so aufgestellt werden, dass sie von einem durchschnittlich aufmerksamen Kraftfahrer mit einem raschen und beiläufigen Blick erfasst werden können. Dies bedeutet zum Beispiel, dass die Verkehrszeichen in vernünftiger Höhe angebracht sein müssen; dass nicht mehr als drei Verkehrszeichen an einem Pfosten angebracht sein dürfen etc.

Verkehrszeichen, die den ruhenden Verkehr betreffen und gut sichtbar aufgestellt sind, üben ihre Rechtswirkungen gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer aber aus, unabhängig davon, ob dieser das Zeichen wahrnimmt oder nicht.

Im hiesigen Fall wendete sich ein Fahrzeugfahrer gegen die Auferlegung einer Gebühr für die Umsetzung seines Fahrzeugs. Er hatte zuvor in einem Straßenabschnitt geparkt, an dem vorübergehend zu diesem Zeitpunkt ein absolutes Halteverbot ausgeschildert gewesen ist.

Der Kläger argumentierte wie folgt:

Er wandte vornehmlich ein, die vorübergehend aufgrund eines Straßenfestes aufgestellten Verkehrszeichen seien nicht mit einem raschen Blick erkennbar gewesen. Dem Sichtbarkeitsgrundsatz sei in der Folge nicht Genüge getan und die Gebührenauferlegung somit rechtswidrig, da das Schild eben keine Wirkung – unabhängig von der Wahrnehmung des Betroffenen – entfaltet hat.

Die ersten Instanzen lehnten die Klage ab. Das OVG ging bsw. von einer Nachschaupflicht der Verkehrsteilnehmer aus und nahm an, dass das Halteverbot für den Fahrzeugfahrer somit auch erkennbar gewesen wäre, wäre er seiner Nachschaupflicht nachgekommen. Er habe sehr wohl Gelegenheit gehabt, von der Verkehrsbeschränkung Kenntnis zu erlangen. Als Teilnehmer am ruhenden Verkehr habe es ihm oblegen, sich spätestens nach dem Einparken zu vergewissern, ob das Halten oder Parken an dieser Stelle erlaubt ist. Er hätte nach Ansicht des OVG die nähere Umgebung um den Parkplatz in Augenschein nehmen müssen, um möglicherweise auf den ersten Blick nicht wahrnehmbare Verkehrszeichen zu bemerken.

Das BVerwG entschied letztlich anders und gab der Klage statt! Es ging im Gegensatz zum OVG nicht von einer anlasslosen Nachschaupflicht der Verkehrsteilnehmer aus. Es vertrat vielmehr, dass Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr ihre Rechtswirkungen gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer entfalten, unabhängig davon, ob dieser das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt. Damit der Sichtbarkeitsgrundsatz Wirkung entfaltet, müssen die Schilder aber so aufgestellt sein, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt oder durch einfache Umschau eben jene Verkehrszeichen ohne Weiteres erkennen kann.

Dieses Urteil war im Hinblick auf die Konkretisierung der Anforderungen an den Sichtbarkeitsgrundsatz wegweisend. Zu empfehlen ist es dennoch, sich bei Zweifeln nach etwaigen Verkehrszeichen umzuschauen, um rechtliche Konsequenzen als Fahrzeugfahrer zu vermeiden.

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